Veganes Vitamin B12 im Lebensmittel fermentiert, vergessene Arbeit der drei Professoren

Hm, wir fangen in kleinen Schritten an indem wir mal ein wenig „cool“ in die B12 Debatte bekommen.

Die gute Nachricht:

Da Niederländisch zu den Sprachen gehört die ich mehr oder weniger beherrsche, war ich bei einer Recherche zu Vitamin B12 auf eine Literaturstudie von Michèl Post gestoßen, einem niederländischen „Natürlichkeitsveganer“ der an einem tiefen B12 Mangel erkrankte und über den Schreck darüber alles an Fachliteratur über B12 ausgrub was er in den Niederlanden zu dem Thema finden konnte.

aber, aber, das ist doch nicht natürlich !!1! cc-by-nc-nd-2:owaief89

Darüber hat er dann ein Buch geschrieben mit allerlei interessanten Fakten, darunter z. B. dass einer der Hauptabnehmer für fermentiertes B12 die Futtermittelindustrie ist…

Aber wir sind ja bei den guten Nachrichten. Fast am Rande wurde von Michel Post eine Untersuchung der Technischen Universität Berlin von 1991 unter Mitwirkung eines Professors Bärwald erwähnt, ein Gärexperte der Fermenttechnik und Ingenieur der bereits in den 1950ern mit seinem Team bioaktives, also „gutes“ B12 bakteriell fermentierte (Professor Bärwald hat Veganes Auge auch im Kommentarbereich besucht). Professor Dr. Bärwald arbeitete zusammen mit Professor Dr. List und Professor Dr. Rubach. Veganes Auge hatte sich schon früher damit beschäftigt, aber die tragende Bedeutung peripherierte bisher unterhalb des Aufmerksamkeitsradars der Veganschaft. Bei dieser Untersuchung 1991 fand man heraus, dass Vitamin B12 durchaus auch in veganen Lebensmitteln fermentiert werden kann, z. B. Sojamilch, es handelt sich dabei nicht um Analoga, sondern die Auswahl der Bakerienstämme und auch der Methode zielte konkret darauf ab, bioaktives B12 in veganen Lebensmitteln zu fermentieren.

Analoga sind Formen von B12 die für den menschlichen Körper wertlos sind, also schlechtes B12, man findet sie überall da wo man früher dachte dass dort gutes B12 enthalten sei: Sauerkraut, Tempeh, Miso, Nori, Spirulina usw. Analoga sind sogar schlimmer als wertlos, da sie zwar nichts machen, aber quasi den Platz besetzen in den Körperprozessen die eigentlich für gutes B12 gedacht sind. Vergleichbar mit einem Achterbahnzug in dem Schaufensterpuppen sitzen. Die können von alleine nicht raus und unten warten die echten Menschen und können nicht rein.

Im Prinzip ist die Methode der Professoren Bärwald, List und Rubach keine Zauberei, denn auch B12 in Nahrungsergänzungsmitteln wird mittels Bakterien hergestellt, alles B12 ist schließlich von bakteriellem Ursprung, auch das B12 welches in tierbasierten Nahrungsmitteln vorhanden ist kommt ursprünglich von Bakterien. Z. B. gelangt B12 in das Körpergewebe und auch die Muttermilch von Rindern, indem die Bakterien im Pansen der Kuh B12 ausscheiden und es dann über den Verdauungstrakt aufgenommen wird. Also wir reden hier jetzt eher über Bisons oder Gnus, denn in der Praxis der Tierausbeutung ist B12 als Nahrungsergänzungsmittel im „Kraftfutter“ enthalten, etwas was von den Propagandisten tierbasierter Ernährung gerne verschwiegen wird. Der Unterschied zwischen der Fermentierung von B12 in Lebensmitteln wie von den Professoren Bärwald/List/Rubach durchgeführt und der Herstellung auf Substrat für Nahrungsergänzungsmittel, ist das letzteres lediglich später vom Substrat, dem Bakterienfutter sozusagen, getrennt wird damit es in Reinform vorliegt und dann weiter verarbeitet werden kann. Bei Bärwald/List/Rubach verbleibt das B12 im „Bakterienfutter“, so wie Vitamin K2 von Bakterien im Sauerkraut oder Sojajoghurt verbleibt. Sauerkraut ist nichts anderes als fermentierter Weißkohl. Warum man kein gutes B12 in Sauerkraut oder Sojajoghurt fermentieren kann? Höre ich gerade diese Zwischenfrage? Kann man, vor allem bei Sojajoghurt, aber man braucht geeignete Bakterien und eben die Bärwald/List/Rubach-Methode…

*Die geheimnissvolle Methode des ominösen Professor Bärwald!*
cc-by-sa-2:euthman

Die Bärwald/List/Rubach-Methode setzte sich aber nicht durch, denn sie musste schließlich mit der Reinform-Methode der Pharmahersteller konkurrieren und letztere ist weit verbreitet und billig. Alle Hersteller die zusätzliches B12 in ihren Produkten haben wollen, kaufen das einfach in Reinform aus der regulären Pharmaproduktion und fügen es ihrem Produkt bei. Allerdings ist der Herr Professor, der sich auch für Topinambur begeistert im besten Alter und wäre gerne bereit sein Wissen weiterzugeben, zum Beispiel an einen Entrepreneur der eine Art „Bionade“ mit fermentiertem Eigen-B12, Gemüsesaft, Sojadrink oder was auch immer produzieren möchte. In einem Epost-Austausch bestätigte er auch, dass in jedem Nahrungsmittel was über eine flüssige Stufe verfügt bioaktives B12 fermentiert werden kann, vorausgesetzt man hat die richtigen Bakerien und die richtige Methode. Professor Bärwald war auch so freundlich mir das Material aus Fachzeitschriften zu seinen Studien zu übersenden. Sein Büro ist auch gar nicht weit weg von mir hier in Schöneberg, so ein Zufall, denn als ich zum ersten mal auf Michel Posts Aufsatz stieß, wohnte ich noch nicht in Berlin.

Die schlechte Nachricht:

Hatte ich schon erwähnt. Es interessiert sich im Moment niemand für diese Bärwald/List/Rubach-Methode. Vielleicht ändert sich das durch das vegane Interesse.

Nur, trotzdem ist diese Methode für uns Veganer ein gigantischer Gewinn. Warum? Denkt doch mal nach. Jeder der behauptet, dass vegane Ernährung kein B12 enthält / enthalten kann:

  1. Kennt Professor Bärwalds Methode nicht,
  2. unterschlägt, dass bakterielle Fermentierung sehr wohl Bestandteil einer pflanzenbasierten Ernährung ist,
  3. weiß von beidem aber betreibt (antivegane) Desinformation.

Gigantischer Gewinn deshalb, da es durch Kenntnis dieser Möglichkeit nun nicht mehr möglich ist zu behaupten, dass vegane Ernährung kein Lieferant von „natürlichem“ B12 sein kann. Damit zieht man Antiveganern, Natürlichkeitsveganern, Pseudoveganern und Panikveganern gleichzeitig den Teppich unter den stampfenden Füßchen weg. Das Konzept von veganer Ernährung als Mangelernährung ist damit tot, töter, am tötesten. Denn selbst bei anderen Nährwerten wie Vitamin D gäbe es sehr wohl vegane Alternativen, z. B. sonnengetrocknete oder UVB-belichtete Speisepilze. Die Ironie bezüglich Vitamin D und Ernährung ist doch gerade, dass ausgerechnet ein veganes Lebensmittel das einzige ist, welches genug Vitamin D nach den neuesten Empfehlungen enthalten würde.

Und nun ist auch noch, zumindest in der Theorie, das Vitamin B12-Problem gelöst.

Und wenn dass kein Gewinn ist, dann weiß ich nicht was einer sein könnte.

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Ava Odoemena

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85 Antworten to “Veganes Vitamin B12 im Lebensmittel fermentiert, vergessene Arbeit der drei Professoren”

  1. Ina Says:

    Attila, entschuldigung.

  2. Ina Says:

    Fundsache (OT, da nix zu B12, aber zu Bernd Drosihn) ab ca 35:00. https://www.youtube.com/watch?v=wUqkUOvFbMY „Die neuen Vegetarier“ von arte

    • Ava Odoémena Says:

      Schön dass das jemand auf Youtube geschaufelt hat, finde ja alle ÖR-finanzierte Sachen gehören permament ins Netz mit der Qualität, mit der sie gesendet wurden und nicht nur 7 Tage. Ist so typisch Arte-Stil, keine Polemik, alle dürfen ganz neutral ihre Meinung äußern, auch der Landwirt/Züchter der die Email verpasst hat, dass nicht Fleisch zur Entwicklung des Menschen beigetragen hat, sondern Feuer, also Kochen. Gefallen hat mir der rote Faden dieser Familie, bis auf das Fazit natürlich, das typische Gefasel vin „bewusst Fleisch“ essen. So eine Art Selbstreparatur-Mantra. Könnte man doch auch mal Leuten empfehlen, die Raubüberfälle begehen: Die Opfer werden erst mit KO-Tropfen ruhig gestellt, um sie dann ganz friedfertig auszurauben:-)

      Die Hallen bei Drosihn! Bemerkenswert was für eine Industrie der am Start hat.

      • Ava Odoémena Says:

        Beim Angucken rechnete ich ständig irgendwie damit dass Sarah Wiener um die Ecke kommt mit einer Platte Bio-Kalbskopf [österreichischer Akzent]: „Und aan die Vegetarier hoben wir natüürlich aauch gedacht bei diesem Rezept von dem pyrenäischen Böhindertendoorf“ [zeigt auf zwei Stutzen Brokkoli in den Augenhöhlen].

  3. Coco Says:

    Da ich keine Infos im Internet finden konnte, aber ich nochmal sichergehen möchte: bei einem zu niedrigen Gesamt-B12-Wert, kann ich sicher davon ausgehen, dass ein Mangel besteht. Wie ausgeprägt er ist, sagt mir der Wert aber nicht (im schlimmsten Fall ist der Speicher massiv geleert). Richtig?
    Es wurde leider nicht der Holo-TC oder MMA gemessen, wie eigentlich gewünscht…
    Die Konsequenz ist mir klar :D

  4. Univ.-Prof. i. R. Dr.-Ing. habil. Günter Bärwald Says:

    Hier antwortet Prof. Dr. Günter Bärwald, der nichts von den angeführten Vit B12-Angaben wusste. Er war es nicht allein, der
    dieses Thema vor 25 bis 30 Jahren wegen der Vegetarier, auch unter den Studierenden an der TU Berlin, wieder aufgegriffen hat. Es waren drei Professoren: Dr. Dieter List (Institut für Frucht- und Gemüsetechnologie) und Dr. Klaus Rubach (Institut für Lebens-mittelchemie) und der Berichterstatter, die ohne (!) gesponsorte Finanzmittel, allein aus den normalen Haushaltsmitteln der TU-
    Fachinstitute, die Idee der Studierenden aufgegriffen haben, das Vit B12-Defizit, das möglicherweise bei Vegetariern auftreten kann, mit „Bordmitteln“ der Fermentation pflanzlicher Lebensmittel einzu-grenzen. Niemand hat uns drei gesponsert, alles wurde veröffentlicht, die Lebensmittelindustrie war n i c h t interessiert.
    Wir, die drei Professoren, die sich des Themas annahmen, sind
    inzwischen zwischen 79 und 81 Jahre alt. Kommerzielle Interin-teressen haben wir nicht. Nach unseren, auch im Ausland sehr
    beachteten, Versuchsergebnissen der Vit B12-Erzeugung in pflanzlichen Lebensmitteln freuen wir uns, dass wir Beachtung
    noch im „lebendem“ Zustand heute erfahren. Sie können mich/
    uns gern weiter ansprechen. Prof. Dr.-Ing. Günter Bärwald,
    Sekr. ACK 25 der TU Berlin.

    • Ava Odoémena Says:

      Guten Abend Herr Prof. Dr. Bärwald, vielen Dank für Ihren Kommentar und die Richtigstellung bezüglich der Beteiligung von Prof. Dr. List und Prof. Dr. Rubach. Ich werde den Eintrag entsprechend korrigieren. Dass die Lebensmittelindustrie damals kein Interesse zeigte, lag wohl daran, dass Sie und Ihre Kollegen Ihrer Zeit voraus waren. Das Thema ist aktueller denn je, mit dem Anstieg der vegan lebenden Population der letzten Jahre ist auch das Angebot veganer Fertiglebensmittel gestiegen. Und noch immer gibt es Veganer, die Supplemente ablehnen und daher von der von Ihnen mitentwickelten Methode profitieren würden.

      Es gab inzwischen schon unabhängige Versuche ähnliches zu erreichen von einem bekannten Hersteller veganer Lebensmittel, dessen Eigentümer auch hier kommentiert hat. Allerdings habe ich keine Kenntnis inwieweit schon eine Marktreife erreicht wurde. Ich werde den Link zum Kommentar gleich raussuchen.

      Es freut mich außerordentlich, dass Sie sich die Zeit genommen haben den Eintrag zu kommentieren, die Relevanz Ihrer Pionierarbeit wird häufig unterschätzt – schließlich hebelt die Arbeit von Ihnen und Ihren Kollegen das letzte Argument gegen die vegane Ernährung aus. Wir schulden Ihnen daher großen Dank.

    • Ava Odoémena Says:

      Hier die beiden Links:

      Veganes Vitamin B12 im Lebensmittel fermentiert, vergessene Arbeit der drei Professoren

      Veganes Vitamin B12 im Lebensmittel fermentiert, vergessene Arbeit der drei Professoren

    • mimmy Says:

      Ich freue mich einerseits über diesen Artikel. Andererseits bin ich traurig, dass ich keine weiterführenden Infos dazu finde. Mich interessiert vor allem die Methode wie man fermentiert um richtiges B12 zu erhalten

  5. Fermentier Martin Says:

    Es gibt eine Patentanmeldung von 2013 https://patents.google.com/patent/WO2014062961A1/en
    die detailliert beschreibt, wieviel B12 in Frucht- und Gemüse-Säften hergestellt werden kann. Erinnert mich sehr an die Arbeit von Herrn Professor Bärwald.

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